Logbuch Odyssee – Geschehen: 11.11.10 – Stand der Zeit: 07Uhr - Raum: Marrakesch
Ein lautes, durch Mark und Bein gehendes Geschrei hat uns aus den Träumen geworfen. Die Knochen waren allerdings noch zu schwer um dem Geschöpf, was wirklich furchtbar brüllte, einen Besuch abzustatten. Nach ca. 20min erbarmten wir uns dann, doch genau in diesem Augenblick hörten wir einen LKW starten und das Geschrei wurde langsam leiser.. Wir vermuten, dass es sich um ein Kamel handelte, die gerne erbarmungslos auf alle möglichen Fahrzeuge gebunden werden. Da würde wohl jeder schreien.
Erstmal einen schnellen Kaffee mit dem Aufgang des neuen Tages und dann die letzten Kilometer bis Marrakesch gedüst.
Für jeden Reisenden, dem der europäische Kontinent vertraut ist, der aber noch keine Gelegenheit hatte sich mit den Fahrgewohnheiten in anderen Ländern zu beschäftigen, soll an dieser Stelle kurz erläutert werden, welche Umstellungen man in Afrika im Bezug auf den Verkehr zu erwarten hat.
Ganz vereinfacht ausgedrückt: es gibt keine Gesetze mehr.
Eine rote Ampel kann bedeuten, dass man anhalten sollte, kann aber genauso gut bedeuten, dass man Gas geben muss. Je nachdem ob die Autos hinter einem anhalten oder nicht, oder ob der Verkehr von der Seite aus Eselskarren, Mopeds oder Lkws besteht. Am besten man hält sich an die Einheimischen und macht es ihnen gleich:
Hupen statt bremsen, plötzliches Abbiegen ohne die anderen Fahrer durch den Blinker darauf vorzubereiten, Kurven sind, egal wie unübersichtlich, bestens zum Überholen geeignet und in einem Kreisverkehr niemals eine ganze Runde drehen...
Zusätzlich soll noch erwähnt werden, dass wirklich alle Gesetze außer Kraft gesetzt sind. auch die der Schwerkraft. Denn nur so lässt sich erklären, wie es die Menschen dort schaffen, die doppelte bis dreifache Höhe ihres Fahrzeuges nochmals auf das Dach zu schnallen. Auf jeden Fall gleicht eine Fahrt durch die Rushhour von Rom oder Paris eher einer Kaffeefahrt im Vergleich zu Marrakesch oder St. Louis. Asia- Reisende dürften verstehen wovon ich hier spreche..
Um dem Verkehr in Marrakesch zu entkommen haben wir uns zum ersten Mal auf dieser Reise auf einem Campingplatz niedergelassen. Unsere Körper dankten den Duschen und „richtigen“ Toiletten..
Auf dem Camping, den am frühen Abend auch einige andere Rallyeteilnehmer ansteuerten, machten wir die Bekanntschaft eines freundlichen Österreichers, der seit Jahren in Marokko lebt und eine Auberge zusammen mit seiner marokkanischen Frau und seinen Kindern betreibt. Er war so freundlich uns erst einmal ein Update zu geben was die Geschichte, die Kultur und die Eigenheiten der Marokkaner angeht. Wir bedankten uns mit deutschem Bier und einem Mittagessen (Tortellini mit Seranoschinken in einer Manchego-Oliven Soße!).
So verbrachten wir also den Vormittag mit Geschichten, ausruhen und spielen. Der freundliche Österreicher hatte nämlich seinen sechsjährigen Sohn dabei, der auf Arabisch und Österreichisch nicht mehr aufhören wollte zu quasseln und mit Chris und seinem Laptop zu spielen. (Dies war übrigens der letzte Tag an dem der Laptop noch funktionierte :-(
Um drei Uhr haben wir uns dann zusammen mit einer lebenslustigen Familie aus Rügen in die Stadt fahren lassen um dort dem berühmten Nachtmarkt beizuwohnen...
Den Nachtmarkt könnte man nun, frei nach Christian Kracht, in einem ganzen Buch beschreiben und würde trotzdem niemals alle Eindrücke gerecht wiedergeben. Deswegen etwas kürzer:
Das Schöne: vielseitige, leckerste Gerüche; fremde Zungen die einem zunächst freundlich alles anpriesen, was der Orient zu bieten hat; einmaliger Genuss für das Auge, wenn der Himmel sich verdunkelt und die Lichter den Markt in geheimnisvolles Dunkel hüllen.
Das Unschöne: Viel zu viele Touristen (und zwar die Schlimmen mit HawaiiHemd); Tierquälerei an Schlangen, Affen und Vögeln, nur damit die Touris sich mit einer Kobra ablichten lassen können; die Händler, die erst freundlich sind, dann aber sich keine Zeit für traditionelle, ausgiebige Preisverhandlungen nehmen, sondern einen beschimpfen, wenn man zuviel ihrer Zeit in Anspruch nimmt – der Kapitalismus hat seine dunklen Schwingen auch in diesen Teil der Welt getragen.
Auf jeden Fall sind wir irgendwann ziemlich erschöpft, beladen mit 4 Teekannen – eigentlich wollten wir zuerst nur eine kaufen-, zurück zu unserem Camping gefahren, wo der Rest der Reisegruppe mittlerweile sich eingefunden hatte und zusammen mit extra angereisten Rallyeveteranen (Pott für die Welt) die Nacht zum Tage machten. Festivalstimmung kam auf, aber für uns auf jeden Fall das falsche Festival ..